In Shanghai ist vor Kurzem ein Architekturprojekt fertiggestellt worden, dass eigentlich gar nichts mit Kino zu tun hat: ein kombinierter Bau aus Bibliothek und Theatersälen für eine Schule. Anhand dieses Beispiels sind mir aber ein paar Gedanken gekommen, was für die Platzierung eines Kinos in der Stadt und eine räumliche Ausgestaltung zukunftsweisend ein könnte. Da ist zunächst einmal die Herangehensweise der Architekt:innen an den ganzen Schulbau, der um dieses „Bibliotheater“ herum konzipiert wurde. Es entstand kein komplexer Riesen-Schulbau, sondern die Idee war einen Campus zu schaffen, um den herum sich diverse Gebäude für die Schüler:innen gruppieren. Spontan kam mir da die Idee eines „Kulturcampus“; was ein offener Platz wäre, um den sich städtisch wie privat geführte Einrichtungen wie Museen, Galerien, Kinos, etc. locker verteilen. Eine Lehre aus der Corona-Epedemie ist sicher, dass wir Orte erschaffen müssen, an denen sich viele Menschen begegnen KÖNNEN, aber im Zweifelsfall nicht MÜSSEN. Genauso wie die Mittelpunktschule wird in diesem Sinn das Multiplexkino problematisch sein. Gleichzeitig sollen aber die Vorteile eines Zentrums erhalten bleiben, soll es gut erreichbar sein und soll eine gute Auswahl bieten. „Campus“ ist also mein Gedanke Nummer 1.
Nummer 2 nenne ich „Multifunktionalität“. Räumliche Entzerrung heißt ja nicht, dass ein Gebäude nicht zeitlich den ganzen Tag über genutzt werden könnte. Im chinesischen Beispiel, das ich anführe, sind eine Bibliothek, zwei Theatersäle, ein Café und ein Kiosk integriert. Jetzt stellen wir uns mal vor, das wären nicht nur Bühnenräume für Schüler:innen, sondern eventuell auch Gemeindeversammlungsaula und Kinosaal, Stadtteilbibliothek und Workshop-Raum, Späti und Paketannahmestelle. Optimale, kostenintelligente und Raumnutzung mit hübschem Nebeneffekt: das Kino wäre zentral in der öffentlichen Wahrnehmung. Und bräuchte für die Frequenz nicht in einem Einkaufszentrum sein, eine Ort den coronabedingt der Todesstoß noch früher als bisher von mir geahnt, ereilen wird (ja, auch das EKZ wird sich neu erfinden, aber dazu ein andermal).
Nummer 3 ist kinospeziell. 1, 2 Säle werde zukünftig pro Location reichen. Das Thema Spielverpflichtungen ist durch, wenn Exklusivität gegenüber Streamingdiensten nicht mehr das entscheidende Argument ist. Dann kann man auch gestalterisch wieder mehr damit spielen, wo und wie ein Kino errichtet wird. Dass Leute dort Filme sehen wollen, die sie auch woanders haben könnten, setze ich hier einmal voraus. Ist bei diesen Gedankengängen grad mal nicht der Punkt 😉 Auch nicht der Punkt ist, dass die Chines:innen mit dem Bau gar nicht so konkret bei meiner Gedankenlinie sind. Sie haben meine Vision mit dem Ding nicht erschaffen, bloß angeregt.
ARCH DAILY: Pinghe Bibliotheater / OPEN Architecture
WORLD ARCHITECTS: Pinghe Bibliotheater
Photo by OPEN Architecture.